Durchs Toilettenfenster eine Liebeserklärung an das (einfache) Leben

Diese Woche endlich mal wieder im Kino gewesen, was für ein großartiger Film. Das Anschauen des Filmes machte aus diesem, meinem Kinotag einen “Perfect day”! Danke Wim Wenders, Danke Kōji Yakusho.

In der Schlichtheit der Erzählung, die einen Toilettenreiniger bei seinem Tagesablauf in Tokio zeigt, versteckt sich ein Orchester an vielfältigen Botschaften:
• die Würde des Menschen entsteht durch Handlungsräume;
• schon in einem kaum merklichen Kopfnicken steckt mitunter mehr Ausdruck des Respekts, als manche(r) anderen gegenüber im Verlaufe eines ganzen Lebens zu zeigen imstande ist;
• die Schönheit des Einfachen hat viele Ursachen, ist aber einfach zu erfahren;
• die persönliche Stabilität speist sich aus der Verbindung zwischen Menschen und der zur Natur;
• Tagesroutinen und Rituale haben einen großen Wert für ungeteilte Hingabe und Aufmerksamkeit;
• der Baum ist unser Freund (Totoro lässt grüßen);
• dem “jetzt ist jetzt, und nächstes mal ist nächstes mal”.

Letztlich einfach nur diesen Blick, dieses Lächeln des Hauptdarstellers verinnerlichen, nur ein kleines bisschen davon. „Herr, schenke mir eine gute Verdauung“ heißt es in einem irischen Segenswort. Wim Wenders lässt seinen Protagonisten Hirayama in Japan mit ganzer Hingabe dafür sorgen, dass es sich in diesen faszinierenden Tempeln der Toilettenhäuser in Tokyo gut scheißen lässt. Seine Hingabe passt auch gut zu der herausragenden vielfältigen Architektur der Toilettenhäuser, Tempelgleich stehen diese Aborte in Tokyo, da ist man in Deutschland ganz anderes gewohnt, da würde man auch den Toilettenreiniger eher in einem schlechtbezahlten Subunternehmen vermuten (dazu gibt es im Übrigen auch den sehenswerten Fernsehfilm “Herren” aus dem Jahr 2019, https://www.filmdienst.de/film/details/615535/herren#%C3%BCberblick)

Aber es bleibt nicht beim hingebungsvollen Reinigen, Hirayama ist mit aller Liebe und Herzlichkeit verbunden mit einer Vielzahl von Menschen, zum Beispiel den Kindern, die ihn im Gegensatz zu seinen Eltern wahrnehmen, im Imbiss, im Antiquariat, im Park, überall entfaltet Hirayama eine gehaltvolle Beziehung zu den Menschen, teilt seine Freude an guter Literatur, gutem Essen und guter Musik. Aber doch bleibt er irgendwie unsichtbar, bescheiden. Und er liebt die Bäume, pflegt hingebungsvoll eine Reihe von Setzlingen in seiner kleinen Wohnung, hat seine ganz eigene Routine einen Baum zu fotografieren, das Spiel der Blätter im Wind, das ihn jeden Morgen begleitet vom Kehrgeräusch des Besens der Nachbarin weckt.

Und dann dieser herrliche Soundtrack! Mit Wim Wenders würde ich gerne mal ne ganze Nacht zusammen Musik auflegen. Wie abschließend Nina Simones „Feeling Good“ musikalisch das Gesicht von Kōji Yakusho einrahmt, man fühlt sich dann einfach gut, ähnlich dem Glücksgefühl im Film „ziemlich beste Freunde“, wenn sie bei „Feeling Good“ Gleitschirmfliegen, nur dass hier der Film die Phantasie fliegen lässt, „It’s a new dawn / It’s a new day / It’s a new life for me / And I’m feeling good.“ Bewegend und beglückend fährt man in der Morgensonne hinaus, um die frohe Botschaft dieses Filmes weiter zu tragen, dass sich mit Genügsamkeit und Schlichtheit ein beseeltes, ein gewinnbringendes Leben leben lässt.

von Volker 2024/02/25